Improv Prototyping

Auf Deutsch (etwa):

Prototypen improvisieren

Effektive Lösungen für wiederkehrende Herausforderungen entwickeln und dabei ernsthaft Spaß haben

Dauer:

20 Minuten pro Runde

Was wird ermöglicht?

Eine Gruppe hat mit Improv Prototyping die Möglichkeit, schneller zu lernen und voranzukommen, indem sie drei Wissensebenen gleichzeitig anzapft: (1) explizites Wissen, das alle Teilnehmenden haben; (2) implizites Wissen, das bewusst gemacht wird, indem man andere beobachtet; und (3) latentes, verborgenes Wissen, also neue Ideen, die auftauchen und gemeinsam entwickelt werden. Diese Kombination ist ausgesprochen kraftvoll und kann die Quelle für tiefgreifende Erkenntnisse und Veränderungen sein – und sie macht gleichzeitig richtig Spaß. Die Teilnehmenden finden Lösungen für wiederkehrende oder schwierige Probleme und spielen sie durch. Eine bunte Mischung von Menschen wird eingeladen, Aspekte von Lösungsansätzen spielerisch darzustellen. Die in „Improvisationsskizzen“ dargestellten Ideen werden Schritt für Schritt zusammengestellt und verbessert. Improv Prototyping ist eine spielerische Methode, sehr ernste Arbeit zu erledigen!

Die fünf Strukturelemente – Minimalanforderungen

1. Die Einladung gestalten

  • „Benennt eine frustrierende, wiederkehrende Herausforderung eurer Arbeit und experimentiert dann spielerisch, denkt euch Alternativen aus und findet bessere Möglichkeiten, die Herausforderung zu bewältigen, indem ihr die Situation und mögliche Lösungen durchspielt.“

2. Raumgestaltung und benötigtes Material

  • Ein offener Raum oder eine Bühne an der Stirnseite oder in der Mitte eines Raumes 
  • Ggf. Requisiten für die verschiedenen Szenen
  • Kleine Stuhlgruppen für alle Teilnehmenden 

3. Art der Beteiligung und Einbindung

  • Alle sind entweder als Darstellende oder als Beobachtende mit dabei
  • Einige wenige melden sich freiwillig für die erste Gruppe der Darstellenden
  • Alle anderen agieren als Beobachtende und Beratende, wechseln ggf. aber später auch in die Rolle der Darstellenden

4. Aufteilung der Gruppe(n)

  • Eine kleine Gruppe von Darstellenden auf der Bühne 
  • Alle anderen – die Beobachtenden – in kleinen Gruppen vor der Bühne oder um die Bühne herum

5. Schritte und zeitliche Abfolge

  • Eine Person erläutert den Ablauf von Improv Prototyping. (2 Min.)
  • Dann wird das Szenario beschrieben, dass die Gruppe spielen soll, und welche Rollen es dafür braucht. (3 Min.)
  • Die erste Gruppe der Darstellenden spielt die Szene auf der Bühne. (3-5 Min.)
  • Dann folgt die Analyse: Als Beobachtende sammelt ihr in euren Gruppen mit 1-2-4-All die Elemente, die ihr gerade beobachtet habt, die zum Erfolg oder Misserfolg geführt haben. (5 Min.)
  • In eurer Gruppe fügt ihr dann die erfolgreichen Elemente zu einem neuen Prototyp für die Szene zusammen und spielt ihn probehalber durch. (5 Min.)
  • Wenn ihr in eurer Gruppe zu dem Schluss kommt, dass ihr einen verbesserten Prototyp habt, könnt ihr euch freiwillig melden, um eure Version auf der Bühne vor der gesamten Gruppe vorzuführen. (3-5 Min.)
  • Führt so viele Runden wie nötig durch, um zu einem oder mehreren Prototypen zu gelangen, die gut genug sind, um in die Praxis umgesetzt zu werden.

Intention und Anwendungszweck

  • Menschen befähigen, sich in ein Umdenken „hinein zu spielen“: Improv Prototyping als Generalprobe für das wirkliche Leben
  • Aufgaben, die zu groß und entmutigend erscheinen, in kleine Schritte unterteilen
  • Die Fantasie aller Beteiligten einbeziehen und gemeinsam dafür nutzen, chaotische Herausforderungen zu lösen
  • Eingefahrenes oder widerständiges Verhalten durchbrechen
  • Eine anregende und mitreißende Alternative zu trockenen oder unproduktiven Schulungen schaffen
  • Über funktionale und disziplinäre Grenzen hinweg arbeiten
  • Menschen dabei unterstützen, von denjenigen zu lernen, die mit ihren Verhaltensweisen das Problem lösen

Tipps und Stolperfallen

  • Seid so inklusiv wie möglich: Ladet Menschen mit ganz unterschiedlichen Rollen ein, sich zu beteiligen.
  • Nutzt Discovery & Action Dialogue und Simple Ethnography, um Themen zu identifizieren, die den Menschen wirklich etwas bedeuten und um typische oder dramatische Aussagen herauszufiltern, die ihr in den Szenen verwenden könnt.
  • Je nachdem, wie komplex das Szenario ist, könnt ihr drei weitere unterstützende Rollen einführen: Ein:e Bühnenmeister:in mit Verantwortung für Bühnenaufbau und Requisiten, ein:e Regisseur:in bzw. Kreativdirektor:in mit Verantwortung für Inhalt und Darstellung und eine moderierende Person für den Ablauf.
  • Wer die Regie übernimmt, kann die Darstellung starten und stoppen und die Szene (ggf. mit kleinen Abwandlungen) erneut spielen lassen.
  • Wenn Fantasie und neue Ideen fehlen, wiederholt die Szene(n).
  • Versucht eure Annahmen und Vorurteile loszulassen, indem ihr euch in die Lage der anderen versetzt. Beispielsweise spielt eine Pflegekraft einen Arzt, oder eine Ärztin spielt eine Pflegekraft, ein Student spielt eine Professorin usw.
  • Als Regisseur:in/Kreativdirektor:in kannst du, wenn die Gruppe zustimmt, die Teilnehmenden sanft in eine andere Richtung leiten.

Varianten und Kombinationen

  • Ladet das Publikum ein, die Szene in kleinen Gruppen nachzuspielen, um bessere (oder schlechtere) Verhaltensweisen zu finden. Beginnt mit einzelnen Kleingruppen, die ihre eigenen Improvisationen aus dem Stegreif aufführen, und führt dann kleine Wettbewerbe durch, die anhand eines „Applaus-O-Meters“ bewertet werden.
  • Wenn eine Person moderiert, kann sie nach jeder Szene dazu einladen, mit 1-2-4-All zu reflektieren, was passiert ist (und was nicht).
  • Verknüpft Improv Prototyping mit Design StoryBoards, Shift & Share und User Experience Fishbowl, um die Erkenntnisse und Ideen weiter zu tragen (aufzeigen, was ist und was sein könnte).

Quellen und Inspiration

Diese Liberating Structure wurde von Henri Lipmanowicz und Keith McCandless entwickelt. Inspiriert von Antanas Mockus (ehemaliger Bürgermeister von Bogotá) und Improvisationskünstler:innen.

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